Titel: Tim im Lande der Sowjets- Länge: 141 Seiten
- Erscheinungsjahr: 1929-1930
- Farbe: Schwarz-Weiß
Tim und Struppis Abenteuer begannen bereits 1929 in der Zeitschrift Le Petit Vingtième als Serie kleinerer Episoden, die wöchentlich erschienen. All diese Episoden handeln davon wie Tim nach Russland geht um über die dortigen Verhältnisse zu berichten, weswegen sie im Nachhinein zu einem gesammelten Band zusammengefasst wurden. Dies geschah allerdings erst in den Siebziger bis Achtziger Jahren, da Heré selbst die Reihe als eine „Jugendsünde“ ansah und ihn eigentlich nicht veröffentlichen wollte. Dadurch dass dieser Band erst lange nach den bekannten Comics erschien, obwohl er eigentlich viel früher entstanden ist wird er als Band 0 gehandhabt.
Story
Im Grunde sagt der Titel bereits worum es in diesem Band geht. Tim wird von seiner Zeitung XX. Jahrhundert beauftragt einen Bericht über die Sowjetunion zu schreiben. Die Geschichte beginnt mit seiner Abfahrt und Endet mit seiner Rückkehr, was in der Realzeit ein Jahr betrug, in dem die Folgen im Le Petit Vingtième veröffentlicht wurden.
Dabei folgt die Geschichte keinem durchgängigen roten Faden, was den wöchentlichen Veröffentlichungen zu Grunde liegen dürfte. Tim erlebt allerlei kleinere Abenteuer, die sich alle mehr oder weniger dem damaligen Klischeebild des Sozialismus widmen. Dabei dürfte das Bild das hier gemalt wird stellenweise durchaus realistisch sein, doch wird es in einer extrem einseitigen Sicht dargestellt. So begegnet Tim fast ausschließlich bösen Staatsbediensteten die Tim töten wollen und armen Arbeitern die unter dem Sozialismus leiden.
Insgesamt liest sich der Comic nicht schlecht, auch wenn er bei weitem nicht an die späteren Geschichten heran kommt. Viele Elemente späterer Abenteuer werden hier bereits aufgegriffen, wenn auch nur Ansatzweise. Und das ist auch was den Charme dieses Band 00 ausmacht. Man sieht den Beginn einer Legende, erkennt bekannte Elemente und wundert sich teilweise darüber, wie diese eingesetzt werden. Das rettet die Geschichte und die extrem einseitige Sicht die diese darstellt zwar nicht, macht sie aber trotz allem noch lesenswert.
Charaktere
Tim ist Tim ist Tim – oder etwa nicht?
Ist er nicht. Zwar erkennt man Tim schon in diesem frühen Werk, doch hat er zu diesem Zeitpunkt seinen Charakter nich nicht gefunden. In Tim im Lande der Sowjets ist der Reporter tollpatschig, naiv, überstürzt, rauflustig und unvorsichtig.
Natürlich kommen auch hier schon Charaktereigenschaften zum Tragen wie Tim sie später haben wird. Zum Beispiel wenn er einen Obdachlosen zum Essen einlädt.
Doch von diesem kleinen Punkten mal abgesehen ist der Reporter dieser Geschichte ein ganz anderer als der den wir einige Jahre später kennen lernen sollen.
Das geht sogar so weit, das Tim in der Geschichte Eigenschaften verkörpert, die später von anderen Charakteren übernommen werden. So übernimmt Tim die Slapstick-Einlagen, die später den Geheimagenten Schulze und Schultze zukommen werden, oder die Zerstreutheit eines Professor Bienleins.
Aber bis diese Charaktere auftauchen vergeht ja auch noch Einges an Zeit. Der einzige weitere bekannte Charakter an Tim Seite ist sein Hund Struppi und dieser ist zum Glück ganz der Alte – oder Neue – auf jedenfall der den wir kennen und lieben lernen gehabt werden… oder so.
Struppi spricht bereits mit dem Leser, bzw. zu Tim ohne dass dieser ihn versteht oder antwortet. Er hilft Tim, begeht aber hin und wieder auch Dummheiten, hat lustige Sprüche parat und ist durchgehend an seiner Seite.
Technik und Design
So wie Tim charakterlich nicht nicht Tim ist, so ist Hergé zu diesem Zeitpunkt noch nicht Hergé. Zwar ist Tim bereits im Ansatz zu erkennen, mehr aber auch nicht. Das gleiche gilt für die Unzähligen Nebencharaktere der Geschichten. Sie scheinen eher Strichmännchen zu sein und haben nichts von dem Charme späterer Comics.
Natürlich muss man dies im Kontext der Zeit sehen. Gerade in Europa war der Comic sehr jung und Zeichnungen wurden eigentlich dazu verwendet Bücher zu illustrieren. So gesehen war ein Comicstrip der eine Geschichte allein durch Bilder mit Sprechblasen erzählt hat schon etwas Besonderes. Und das der Band in Schwarz-Weiß abgebildet ist sollte außer Frage stehen.
Trotzdem wollte der Funke bei mir nicht recht überspringen. Wie schon bei der Story gewinnen die Zeichnungen vor allem deswegen an Charme, weil sie den Beginn einer Legende darstellen. Doch ist es auch verständlich, dass Hergé diese Episode seinen Helden eigentlich nicht als Sammelband darstellen wollte und sie als seine Jugendsünde bezeichnete.
Spaß
Für Sammler und Tintinologen (Kein Scherz, dass ist der offizielle Begriff für Menschen die sich professionell mit Tim, im Original Tin Tin, befassen) ist es keine Frage, dass man diesen Band haben muss. Der einzige Grund warum es diesen Band gibt ist schließlich, weil er so oft Raubkopiert wurde, da er nicht einfach legen zu erstehen war.
Wer aber kein Fan ist und nur hin und wieder gerne einen Tim und Struppi liest kann den Band im Lande der Sowjets ruhigen Gewissens auslassen. Er wird hier keine typische oder besonders schöne Tim und Struppi-Geschichte verpassen und auch Spannungsbogen gibt es so gut wie keinen. Auch hier wahrscheinlich wieder aufgrund der wöchentlichen Kurzstrips.
Wer aber mal die Anfänge des berühmten Reporters unter die Lupe nehmen möchte, der wird auch nicht unbedingt enttäuscht werden. Interessant ist der Band auf jeden fall. Allerdings eher historisch gesehen als inhaltlich.